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Wenn einer eine Reise tut: Nepal – ein Land zum Gernhaben

Vor etwas mehr als einem Monat, am 17. Oktober 2012 sind Stefan und ich zu einem für mich nicht alltäglichen Abenteuer gestartet. Nepal, genauer gesagt das Gebiet um die Annapurna, war unser Ziel, wir wollten die mächtigen Berge in 18 Tagen umrunden, mit Zelt und Rucksack als unsere Begleiter. Stefan war bereits zweimal in den Bergen des Himalaya unterwegs gewesen, für mich war alles Neuland. So fühlte ich mich am Anfang auch ziemlich unwohl, als ich meine Mitreisenden kennenlernte. Allesamt waren sie erfahrene Nepalreisende, konnten von wunderbaren Abenteuern berichten, ich begnügte mich mit dem Zuhören.

Ausgangspunkt unseres Trekkings war Pokhara, die drittgrösste Stadt des Landes, rund 200 km westlich der Hauptstadt Kathmandu gelegen. Nach dem Flug ging es von dort mit dem Bus nach Khadarjung und von da an während mehrerer Tage stetig aufwärts, dem ersten Pass entgegen. Für uns elf Reisende waren rund 25 Träger, Sherpas, Köche und Gehilfen zuständig, welche uns das Leben in der Bergwelt aufs Massivste erleichterten. Jeder Träger schleppte zwischen 40 und 50 Kilogramm auf dem Buckel herum, meistens nur Flip-Flops oder Turnschuhen an den Füssen. Meine Hochachtung vor diesen hart arbeitenden Männern war von Beginn weg hoch, ich weiss nicht, wer aus der Gruppe auch nur annähernd zu diesen Leistungen fähig gewesen wäre – und dies zu keinem nach unseren Massstäben hohen Lohn.
Je nach Tagesetappe wanderten wir zwischen drei und neun Stunden, am Anfang eher weniger. Gezeltet wurde dort, wo es Wasser hatte. Am Anfang bewegten wir uns in wunderschönen Waldgebieten, hatten allerdings mit den dort ansässigen Blutegeln ziemlich zu kämpfen. Diese Biester können ganz schön zubeissen.
Irgendwann ging es dann höher hinaus, die Bäume hörten auf, dafür erstreckte sich vor uns eine einzigartige Bergwelt, die vor allem Stefan zu richtiger Begeisterung hinriss. Unermüdlich versuchte er, mir die Namen der umliegenden Berge einzutrichtern, aber ich blieb, was ich schon immer in Bezug auf Bergnamen war: eine Banause. Trotzdem, das stetige Laufen auf gut ausgebauten, meist treppenartigen Pilgerwegen in dieser endlosen Stille tat gut. Die Gedanken flogen mal hierhin, mal dorthin, man fühlte sich eins mit sich und der Umgebung, ich hätte diese vielen Stunden nicht missen mögen.

Als es gegen den ersten richtigen Pass zuging, den Namun Bhanjyang, waren es dann nicht nur gute Gedanken, die bei mir vorbei schauten. Ich hatte Angst vor der Höhe (5‘560 m) und den ausgesetzten Stellen. Doch beides war unnötig. Die Höhe erwies sich als falsch, denn unsere Höhenmesser zeigten lediglich gut 4‘900 m an, und die ausgesetzten Stellen bemerkte ich gar nicht erst. Im Gegenteil, diesen Tag mit der Passüberquerung genoss ich in vollen Zügen, das Gefühl „es geschafft zu haben“, war fast schon berauschend.

Die Nächte in den höheren Lagen waren vor allem auf dem ersten Teil des Trekkings nicht unbedingt angenehm. Es war ziemlich kalt, ziemlich feucht, am Morgen ziemlich gefroren. Obwohl ich extra dafür zwei Schlafsäcke mitgenommen hatte, kam ich leider nicht auf die Idee, beide zu gebrauchen. Ich fror lieber in einem.
Nach der Überquerung des ersten Passes ging es erst einmal steil hinab ins Marsyangdi-Tal. Durch dieses Tal führt die eigentliche Annapurna-Umrundung, hier stösst man plötzlich wieder auf Trekker, Tiere und zahlreiche Dörfer. Bisher waren wir fast immer allein unterwegs und konnten uns nur ganz am Anfang an vereinzelten Dörfern erfreuen.
Die Tage auf der „Normalroute“ gefielen mir ausnahmslos gut. Das Tal war trotz der Höhe irgendwie lieblich, die Dörfer trotz einfachen Häusern und für unsere Augen ärmlich anmutend, einladend. Ich durfte erfahren, dass es den Bewohnern dieses Tals besser geht als vielen Leuten in anderen Teilen des Landes, dass es stolze Menschen sind und ihre Gastfreundschaft fast unermesslich gross ist. Wo wir auch durchliefen, überall wurden wir mit einem herzlichen „Namaste“ begrüsst. Ich selber genoss es, wieder Bäume zu sehen, die Farbenpracht um die Häuser zu bewundern und die Berge „in sicherer Distanz“ zu wissen. Allerdings wurde auch ich in die Faszination dieser gewaltigen, über 7‘000 m hohen Riesen hinein gezogen. Über Chame, Bhratang, Upper Pisang, Bhraka, Manang ging es so gemächlich dem nächsten Ziel, dem Tilicho-Lake entgegen. Ab und zu leisteten wir uns gar einen Stopp in einem einheimischen Café, tranken Gingertee oder assen Apple pie. In diesem Tal konnten wir zudem einige, wirklich wunderschöne Gompas besichtigen (Buddhistisches Kloster) und uns an den zahlreichen Gebetsmühle unterwegs erfreuen. Diese „Kulturtage“ waren ein einmaliges Erlebnis und haben nachhaltige Eindrücke hinterlassen. Besonders die Begegnungen mit den stets fröhlichen, offenen Mönchen und ihren Gesängen waren eine Wohltat für die Seele.
Nachdem wir irgendwann das letzte Dorf hinter uns gelassen hatten, konnten wir uns wieder auf die Natur konzentrieren. Was diese uns bot, ist mit Worten kaum zu fassen. Wir waren schlicht überwältigt und konnten uns an den Farben, Geländestrukturen, natürlich auch Bergen kaum satt sehen. Sogar ich musste zugeben, dass die Gegend vor allem auch durch die hohen, schneebedeckten Erhebungen noch mehr zur Geltung kam. Und sogar ich knipste wie wild die diversen Annapurnas, Tilichos und wie sie alle heissen. An Stefan kam ich natürlich nicht heran. Nach unserer Reise musste er zugeben, über 1‘800 Fotos geknipst zu haben…, darunter auch einige Gelungene.

Am Tag vor dem Aufstieg zum Tilicho-Lake wurde meine Trittsicherheit ein erstes Mal richtig geprüft. Wir nahmen zum Tilicho Bascamp den „oberen“ Weg, natürlich der Aussicht wegen. Dieser Weg war anfänglich eigentlich noch ganz in Ordnung, wurde jedoch zusehends schmaler und ausgesetzter. Als ich dann realisierte, dass er zu einer Art Gipfel führte, wurde es mir dann doch ein wenig flau im Magen. Rund um diesen Gipfel ging es nämlich überall für meine Verhältnisse ziemlich steil hinunter. So beschränkte ich meine Aufenthaltsdauer aufs Minimalste und ergriff ziemlich schnell die Flucht nach unten. Allerdings ganz, ganz langsam, denn der Abstieg führte sehr steil einen Schutthang hinunter, dies in einem schier endlosen Zickzack durch loses Geröll. Ich war heilfroh, als ich das sichere und flache Camp erreichte.
Nun folgten unsere zwei „Murkstage“, der Aufstieg zum „höchstgelegenen See der Erde“ auf 4‘920 m (stimmt nicht ganz, der Kratersee am Licancabur liegt mit 5‘900 m höher) hatte es wahrlich in sich, mir wurde bald einmal die Luft zu knapp und der Zickzackweg wollte einfach nicht enden. Allerdings wurden wir mit einer wirklich fantastischen Aussicht auf den See belohnt. Da wir zur rechten Zeit im Jahr oben waren, war er saisonbedingt nicht gefroren und wir konnten ein wunderbares, intensives Blau bewundern. Hier am See hatten wir unser höchstes Zeltlager auf rund 5‘100 m. Erstaunlicherweise schlief ich sehr gut, ich hatte endlich gemerkt, wie warm zwei Schlafsäcke geben. Stefan hatte es nicht so komfortabel, er fror nun doch auch ein wenig…aber eben, Gentleman, wie er nun einmal ist, überliess er mir grosszügig die dickeren Schlafsäcke.
Der zweite Murkstag war dann der Aufstieg zum „Eastern Pass“ (ca. 5‘350 m) und zum Nördlichen Mesokantu-Pass auf ca. 5‘425 m. Hier war es mir definitiv zu hoch, der lange Weg im Geröll zu mühsam und die kleine Kletterpartie zu angsteinflössend, ich vergass für einmal das Geniessen völlig und war einfach nur froh, nach gefühlt endlosen Stunden oben anzukommen. Andere brachen in Jubelschreie aus, ich zog es vor, stumm zu leiden. Und trotzdem, die Aussicht war fantastisch, die Freude und der Stolz über das Geleistete riesengross. Die rund 1‘400 m Abstieg danach waren schon fast ein Klacks, das Atmen, obwohl immer noch auf über 4‘000 m Höhe ging wieder fast von allein. Wir waren froh, als wir unser letztes Zeltlager erreichten und liessen uns weder von wild gewordenen Yaks noch von deren penetrantem Gestank abhalten, das Nachtessen, wie immer hervorragend zubereitet, zu geniessen.
Die nächsten Tage waren dann reines Supplément. Wir besuchten in Marpha ein tibetisches Zentrum, bestaunten eine Brandy-Destillerie, dinierten vornehm in Jomsom und liessen uns mit einer zweifelhaften kleinen Propellermaschine zurück nach Pokhara fliegen. Der Kreis hatte sich geschlossen.
Die Zeit bis zum Rückflug am 9. November verbrachten wir in Kathmandu. Wir tauchten hier in die lärmige, ziemlich geruchsintensive Hauptstadt Nepals ein und liessen uns vom nicht versiegen wollenden Strom der Menschenmassen überallhin mitreissen. So besuchten wir die Sehenswürdigkeiten „Swayambhunath“, „Durbar Square“, „Pashupatinath“ und „Boudhanath“. Es waren noch einmal intensive, erlebnisreiche Tage und wir schlossen auf eindrückliche Weise eine ebenso intensive, erlebnisreiche und wirklich tolle Reise in ein mir bisher völlig unbekanntes Land ab.
Nun haben wir Zeit, die vielen Eindrücke zu ordnen, die Fotos zu sortieren und last but not least – von der nächsten Reise zu träumen. Es hat definitiv Lust auf mehr gemacht.

Silvia Schneider-Schiess

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